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Interview / 11. 2020

Erst mal auf die Matte, dann die Welt retten.


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Liebe Alexandra, möchtest du uns einen kurzen Einblick in deinen Yoga-Weg geben? Wie bist du zu Yoga gekommen, welche Lehrer haben dich besonders inspiriert, was hat sich durch Yoga für dich verändert?

Ich mache schon sehr lange Yoga. Ich habe mit Mitte 20 angefangen, also vor über 20 Jahren, in London, wo ich damals gelebt und gearbeitet habe. Damals schossen die ersten Coffee Shops aus dem Boden, und Yogastudios die nicht nach Räucherstäbchen rochen. Da gab es plötzlich so etwas Aufregendes wie Ashtanga Yoga, was Stars wie Madonna im hippen Notting Hill praktizierten – da musste ich unbedingt hin. Im Grunde war ich gestresst von London und meiner Arbeit – ich habe bei der BBC als Interviewerin gearbeitet und Nazi-Dokumentarfilme mitgestaltet. Durch Yoga hatte ich dann das erste Mal in London das Gefühl „oh, ich komme mal runter“, „ich komme mal irgendwo bei mir an“ Klingt wie ein totales Klischée, aber genauso war es. Ich ging auf die Matte und wurde ruhig im Körper, klar im Geist, offen im Herzen. Ich konnte an etwas in mir selbst andocken. Ich fand Yoga von Anfang an großartig,- besser als jede Party und jeden Karrierekick. So fing ich vor über 20 Jahren in London an Ashtanga Yoga zu praktizieren. Bald schon stand ich um fünf Uhr morgens auf, pilgerte durch die halbe Stadt um zwei Stunden vor der Arbeit auf die Matte zu gehen – ich glaube ohne dieses schweißtreibende Ritual hätte ich als so junger Mensch nicht so lange alte Nazis interviewen können.

Nach knapp drei Jahren ging ich zurück nach Berlin, die moderne Yogaszene dort war noch am Anfang. Eine zeitlang habe ich Anusara Yoga praktiziert und ein bisschen in Sivananda reingeschnuppert. Irgendwann landete ich bei „Spirit Yoga“, dem damals führenden Yogastudio in Berlin Mitte und machte bei einem Retreat vomYogateam Berlin mit. Im Gespräch mit Irina Alex wurde mir klar, dass ich ein tiefes Bedürfnis hatte mehr über Yoga zu erfahren und fragte Irina und Valentin ob sie mir eine möglichst fundierte und kompakte Ausbildung empfehlen könnten. Die beiden rieten mir zur Ausbildung bei Spirit Yoga. Damals wollte ich keine Lehrerin werden – das war überhaupt nicht meine Intention, ich wollte einfach mehr über diese Methode wissen – die mich zu mir zurückholt und mit etwas verbindet, für das ich bis heute keine Worte finden will.

Patricia Thielemann hat mich dann in dieser Gruppe von 40 Auszubildenden ins Auge gefasst, nahm mich beiseite und sagte: „Hey, du solltest Lehrerin werden.“ Sie hat mir viel Mut gemacht und mich quasi in die Lehrer-Rolle geschubst. So habe ich das, ohne es anfangs zu wollen, einfach angefangen zu tun. Für diesen Teil meines Lebens bin ich Patricia Thielemann sehr dankbar, weil sie erkannt hat, dass ich Yoga ganz gut vermitteln kann und mir diese Möglichkeiten bei sich gegeben hat. Ich war Spirit Yoga acht Jahre lang eng verbunden, bevor ich eigene Wege ging.

Welche Lehrer haben mich auf meinem Weg besonders beeindruckt? Mich hat Mary McDermott  beeindruckt, die ich als Gastlehrerin bei Spirit Yoga traf. Durch Mary lernte ich „Somatic Yoga“ nach der SATYA Methode von Tias Little kennen. Mary hat mich nach der Geburt meines zweiten Kindes und einer lebensbedrohlichen Operation täglich ein Jahr lang privat unterrichtet. Ich war am Boden und kam durch unsere Arbeit wieder auf die Beine. Durch eine Fügung zog Mary bei mir ein und dieser Austausch – Yoga gegen Dach über dem Kopf- war eine tief-yogische Erfahrung. Täglich mit einem Lehrer in einem 1:1-Setting zu arbeiten ist eine Gnade. Es war eine Zeit, in der ich viel Transformation erleben durfte. Ich kann jedem der den Yogaweg gehen möchte empfehlen, sich einen Lehrer zu suchen und mit diesem in einen 1:1 Exchange für eine bestimmte Zeit zu gehen.

Dann hat mich noch Ana Forrest, bei der ich eine Lehrer Fortbildung gemacht habe, beeindruckt. Sie ist eine Yoga Kriegerin und bringt einen an die eigenen Grenzen, das fand ich sehr abenteuerlich. Überhaupt so ein körperlich herausforderndes Training zu meistern, hätte ich vorher nicht für möglich gehalten. Ich bin nicht gut im Handstand, plötzlich stand Anna neben mir und sagte: „Up“, und schwupps stand ich Kopf über im Raum ehe wusste wie mir geschah. Dieses ansteckende Leuchten in ihr hat mich beeindruckt.

Seit einigen Jahren, ist mein Lehrer Tias Little. Tias Little hat ein tiefes, altes Wissen und kann das auf eine ganz bescheidene, und vor allem sehr, sehr freundliche Art und Weise vermitteln. Vielleicht hat das auch etwas mit meinem Alter zu tun. Wo ich früher im Yoga viel Reibung gesucht – und gefunden – habe, geht es mir heute mehr darum Räume zu öffnen, in denen etwas frei werden und heilen darf.

 

Du unterrichtest einen sehr besonderen Yoga-Stil – „Somatic Yoga“. Wie kann man Somatic Yoga beschreiben?

Stell dir vor, du nimmst eine Vinyasa Flow Klasse, würzt sie mit TCM und Feldenkrais, und packst das Ganze auf den Boden. Das hört sich zuerst komisch an, aber es funktioniert tatsächlich. Tias Little, bei dem ich mich in seiner somatischen Methode SATYA – Sensory Awarness Training For Yoga Attunement- die letzten Jahre habe ausbilden lassen, arbeitet anfangs fast immer nur am Boden. Tias spricht von der heilsamen Wirkung der Schwerkraft bei der wir nicht mit Aufrichtung, Kraft und Balance beschäftigt sind, sondern der Sprache des eigenen Körpers lauschen können. Um diese Sprache zu hören, müssen wir lernen den Körper zu spüren. Zu empfinden wie er pulsiert, vibriert, leise zittert, sich zusammenzieht und wieder ausdehnt. Man spricht hier von dem sechsten Sinn– oder dem felt sense.

Stell dir das so vor:  der Schüler liegt am Boden und meist mit kleinen, feinen, fließenden, fast tänzerischen Abläufen wird der ganzen Körper muskulär und energetisch bearbeitet. Man hat quasi eine Choreographie, wie bei einer Vinyasa-Sequenz, aber fast alles geschieht am Boden. Da man mit der Schwerkraft arbeitet ist trotz muskulärer Aktivität der Parasympathikus immer aktiv. Das bedeutet, man ist permanent in einem „Anti-Stress Modus“, kann Muskeln aufbauen, Gelenke schmieren und dabei regenerieren.
Ich werde oft gefragt für wen Somatic Yoga etwas ist.

Vor allem für Menschen mit viel Stress, mit Erschöpfungszuständen und Verspannungen – also für fast alle. Stell dir das so vor: Wenn Muskeln immer wieder einseitig beansprucht werden, ziehen sie sich irgendwann so sehr zusammen, dass sie verlernen, wie man entspannt. Man spricht von einer sensorisch motorischen Amnesie. Vor allem die tiefliegenden Muskeln haben keinen Bock mehr, schalten sich ab und die großen Muskelgruppen müssen noch mehr ackern. Wir merken das dann durch einen steinharten Nacken, Rückenschmerzen, flachen Atem, Kopfschmerzen . Und genau dort setzt Somatic Yoga –SAYTA- an. Durch die langsamen, feinen, klug aufeinander abgestimmten Übungen erreicht man tief liegende Areale. Die Energie kommt ins Fließen, der Atem wird freier, die Aufmerksamkeit wird geschult und der Körper geschmeidig.

Die Schüler die das einmal bei mir machen finden es super und kommen wieder. Sie sagen, dass nach einer Somatic-Klasse vor allem drei Dinge passieren: man fühlt sich im Körper geerdet, ist trotzdem geistig wach und angenehm empfindsam. Tias Little spricht davon „available“ zu sein. Es geht darum, uns durch diese Arbeit auf der Matte als Menschen offener für das Leben da draußen zu machen.

Tias spricht viel von Erschöpfungszuständen. Er sagt, wir würden in einer Society Of Speed leben, die uns immer weiter auslaugt und plädiert dafür langsam zu werden. „Dare to go slow,“ ist einer seiner Botschaften.  Somatic Yoga kann tiefe Erschöpfung und mit der Zeit auch ganz alte Blockaden, sogar Traumata aus dem System holen. All unsere Erinnerungen sind ja im Bindegewebe gespeichert und genau das bearbeitet die somatische Arbeit, da sie den feinstofflichen Körper – den subtle body- erreicht. Wenn das passiert, hast du das Gefühl gleichzeitig tief verwurzelt zu sein und zu schweben. Best trip ever!

Man kann das somatische Sensory Awarness Training auch  gut als Zusatz für jede andere Form von Yoga-Stil nutzen. Also man kann damit wunderbar kraftvolle Klassen vorbereiten. Man fängt mit dem feinstofflichen Körper am Boden an und geht dann in eine kraftvolle Yoga Einheit. Das mache ich fast immer so in meinen Klassen, ich beginne mit Yin Energie am Boden, und bereite damit ein paar kraftvolle Yang Asanas im Stehen vor. Als Lehrer ist es super spannend zu sehen, wie gut die Schüler dastehen, wenn du sie erst am Boden vorbereitest, bevor du mit ihnen in asanas gehst.

 

Gerade jetzt ist es wichtig sein Immunsystem zu stärken. Wie kann uns Yoga, und speziell Somatic Yoga, dabei unterstützen?

Gerade Somatic Yoga ist für das Immunsystem super, da es die ganze Zeit im Parasympathikus/ Regerationsmodus unterwegs ist, gezielt den Lymph- und Blutfluss anregt und die Lungen kräftigt. Unser ganzes Prana – unsere Lebensenergie- wird angekurbelt ohne uns auszulaugen.  Wenn man dann mit einer Umkehrhaltung/ zbsp. einem Schulterstand abschließt, ist es der perfekte Immun Booster.

Ich habe ja 2 Kinder und einen Mann, ich will´s nicht beschwören – tok, tok, tok – aber die waren alle gerade wieder total erkältet und ich habe wie so oft – nichts. Ich kriege viel weniger Infekte seitdem ich auf diese Art Yoga praktiziere. Außerdem: man schläft besser, träumt tiefer und man ist nervlich belastbarer.

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Du bist Buch- und Drehbuch-Autorin und baust auch regelmäßig Schreibübungen in deine Yoga-Stunden ein. Was hat Schreiben mit Yoga gemeinsam und wie kann man beides für sich nutzen und in den Alltag integrieren?

Yoga und Schreiben sind beides intuitive und kreative Vorgänge und für beides braucht man Konzentration (dharana) und Hingabe (ishvara pranidhana). Wenn ich schreibe kann ich mich nicht mit tausend anderen Dingen ablenken, genauso wenig wie wenn ich Yoga praktiziere. Wenn ich mit echtem commitment an die Sache gehe, mich wirklich versenke entsteht ein Flow der Räume öffnet, Dann bin es nicht mehr „ich“ die da schreibt oder unterrichtet, sondern die Geschichte schreibt sich, die Klasse entsteht jeden Moment neu.  Da nebenher noch ein Spiegelei zu braten, kriege ich nicht hin– oder vielleicht im nächsten Leben wenn ich erleuchtet bin. *gg*

Wie integriere ich Schreiben in das Yoga? Es gibt zwei Methoden die ich gut finde. Einmal Journaling, das kommt aus dem Amerikanischen und ist salopp gesprochen, eine einfache Methode mit der du deine Gedanken lenken kannst und die gute Laune macht. Eine Übung, die ich oft und gerne gerade in Workshops einbaue ist: ich lasse die Schüler drei Dinge aufschreiben, für die sie dankbar sind. Das praktiziere ich auch mit meinen Kindern – 12 und 7 Jahre. Gerade an einem muffigen Tag der nicht so gut gelaufen ist, setze ich mich mit ihnen hin und wir alle schreiben drei Dinge auf, die heute schön waren und lesen sie einander vor. Uns fallen auch an den verwurschtelsten Tagen immer drei schöne Dinge ein.. Durch das Aufschreiben mit der Hand – bitte nicht mit dem Computer tippen-  bekommt es zudem noch etwas Sinnliches.

Eine andere Methode, die ich mit Schülern gerne auf Retreats praktiziere ist, das sogenanntes „Freewriting“. Das ist eine Methode, die aus der Autorenarbeit kommt, um Schreibblockaden zu lösen. Auf einem Retreat lasse ich die Schüler am Morgen als allererstes schweigend mit einer Tasse Tee und einem Blatt Papier kurz meditieren und sie dann ca zehn Minuten alles ungefiltert aufschreiben, was ihnen so in den Kopf kommt. Das können ganze Sätze, Satzfragmente oder einzelne Wörter sein. Wichtig ist es, den Stift nicht abzusetzen und nicht zu reflektieren, einfach den ganzen Strom der Gedanken zu Papier ungefiltert zu bringen.  Mein Lehrer Tias nennt das: „Empty before you start“ – sich sozusagen am Anfang eines Tages, oder auch vor einer Yogapraxis einmal auszuleeren, um alles was dann kommt, frisch wahrnehmen zu können.

 

Du bist Autorin, Yoga-Lehrerin, Mutter von zwei Kindern und bildest dich nebenbei auch laufend weiter. Wie schaffst du es Karriere, Familie und eigene Yoga-Praxis unter einem Hut zu bringen?

Ich bin von Natur aus neugierig, und eine weniger schöne Eigenschaft: ich bin schnell gelangweilt. Das war schon als Kind so. Ich wollte immer wissen, was um die nächste Ecke passiert. Ich hab mich sehr oft gefragt: soll ich mich auf eines konzentrieren, wäre das nicht zielfördernder? Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass ich wohl so bin und dass diese Betätigungsfelder sich gegenseitig befruchten.  Die Tätigkeit der Lehrerin war eine Offenbarung. Als ich entdeckt habe, dass ich nicht nur Worte auf Papier, sondern auch Worte in einen Raum sprechen kann und dass das was mit Menschen macht, hat mich das sehr glücklich gemacht. Meine Kinder sind mein tägliches Yoga. Sie verlangen einem ja ab total im Moment zu sein, und je kleiner sie sind umso mehr. Zum Glück entwickeln sich meine Kinder ganz prächtig, sie sind zwei lebenslustige, kreative, eigensinnige Wesen. Manchmal sitze ich einfach nur vor ihnen und denke.  „Wow, ja, echt interessant, wie ihr so diese Welt entdeckt.“

 

Wie ist das Leben für dich in einer Großstadt wie Berlin? Was sind deine Tipps und Tricks im gestressten Alltag in deiner Mitte zu bleiben?

Ich lebe seit 20 Jahren in dieser Stadt und sie wird mit jedem Jahr voller und hektischer. Seit einiger Zeit nehme ich mir für meine Wege ganz viel Zeit, ich plane oft die doppelte Wegzeit ein. Dieser Zeitpuffer gibt mir die Möglichkeit, stehen zu bleiben und zu staunen. Und wenn ich eine Stunde früher am Zielort bin, kann ich immer irgendwo in der Sonne sitzen, einkehren, mit einer Verkäuferin plaudern oder eine Szene beobachten. Und ich fahre viel Fahrrad, ich fahre in der Stadt eigentlich nur Fahrrad. Das habe ich damals in den 90ern in London angefangen. Ich glaube, die hielten mich damals alle für crazy.

 

Bei Agent Fox geht es um neue Konsumkultur, Regionalität, Nachhaltigkeit, Wissensvermittlung und Inspiration. Was bedeutet „neue Konsumkultur“ und „Nachhaltigkeit“ für dich und welche 3 Punkte sind dir persönlich bei diesen Themen wichtig?

Nachhaltigkeit bedeutet für mich mir zu überlegen, was die Dinge die ich tue, für Auswirkungen haben auch auf Dauer. Also spätestens, wenn ich an meine Kinder und deren Zukunft denke, bleibt das, was ich heute tue, nicht ohne Folgen und wird Konsequenzen für die nächste Generation haben.

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Ich versuche Dinge dort nachhaltig zu gestalten, wo es mir möglich ist. So werde ich nicht in die Politik gehen oder mich ständig auf Demos rumtreiben können. Aber ich mache fast nur noch regional Urlaub. Wir haben uns ein Häuschen bei Berlin fertiggemacht, mit einem großen Garten. Ich hätte das nie gedacht -ich habe fast immer in Metropolen gelebt – dass ich plötzlich einen Garten in einem Dorf  habe und den ganzen Sommer mit meinen Kindern dort verbringen kann ohne mich zu langweilen.  Ständig passiert etwas, wachsen hier Brombeeren, reifen dort Pflaumen, werden drüben Äpfel rot, kommt nachts die Maderfamilie zu Besuch. Wir laden gerne Freunde ein, die Lust haben sich einzubringen. Jeder der Lust auf Gartenarbeit hat, findet bei uns einen Schlafplatz. Ferien gegen Rasenmähen sozusagen.

Und ich kaufe saisonales Obst und Gemüse Was mir auch wichtig ist – kein Plastik, wo immer ich es vermeiden kann. Da ist oftmals sogar die Frage ob ich die Bio-Äpfel, die in Plastik eingeschweißt sind kaufe, oder die nicht Bio-Äpfel die nicht in Plastik eingeschweißt sind. Meistens kaufe ich dann die Nicht Bio Äpfel, weil ich Plastik einfach so, so doof finde, und auch möchte, dass meine Kinder ein Bewusstsein dafür bekommen.

Und unbedingt:  MIT den Kindern kochen und nicht nur FÜR die Kinder. Also ich versuche ihnen zu zeigen, was ich koche, was ich wie verarbeite und lasse sie mitmachen – dadurch bekommen sie ein ganz natürliches Gefühl für Lebensmittel. Das hat zur Folge, dass mein Sohn heute schon besser kocht als ich. Wir hatten dieses vegane Kochbuch in das ich kaum reinguckte und er kam damit an: „Mama ich find das echt cool was man mit Tofu alles machen kann, lass mich doch mal machen.“ Die Küche sah nach seinem ersten Einsatz aus als hätte eine Bombe eingeschlagen – aber es hat geschmeckt! Also bitte kocht mit euren Kindern, das ist so eine coole Sache.

 

Was hat Yoga mit Nachhaltigkeit für dich gemeinsam?

Yoga räumt mit dem Geist und dem Körper auf. Gerade beim Somatic Yoga checkt man anfangs ein und guckt nur: wie geht’s mir heute? Wieviel Energie habe ich? Wie setzte ich sie ein? Dann versuche ich mit dem was ist zu arbeiten und in einen ausgeglicheneren Zustand zu kommen. Yoga als ein Stück Selbstfürsorge. Nur so ist es mir möglich, sich mit dem Herzen und einem wachen Geist anderen Dingen, anderen Menschen und letztendlich auch größeren Themen zu zuwenden. Wenn ich selbst fahrig, unaufgeräumt bin, wenn ich mich selbst vernachlässige, habe ich weder meinem Gegenüber – sei es mein Mann, meinen Kinder, meinen Kollegen noch meinem Umfeld, der Umwelt etwas Anständiges zu geben. Auch deswegen: bitte erst mal auf die Matte, dann die Welt retten.

Jetzt in Corona Zeiten stand ich vor einer echten Herausforderung: Ein Retreat in Bad Gastein mit guten Einnahmen stand an, da erfahre ich, dass unsere Nachbarn positiv getestet sind. Einen Test habe ich so schnell nicht organisieren können und so stand ich vor der Frage: gehe ich bis zum Test freiwillig in Quarantäne oder halte ich ungetestet ein Retreat ab und bringe andere Menschen – meine Schüler- eventuell in Gefahr? Ich habe abgesagt und einen Einnahmeverlust kassiert. Als mir dann zwei Teilnehmer ihre Gebühr als „Aufwandsentschädigung“ überließen, kamen mir die Tränen.

 

Welchen Stellenwert hat „Nachhaltigkeit“ und „neue Konsumkultur“ in Berlin? Wo kann man in Berlin „neue Konsumkultur“ und „Nachhaltigkeit“ erleben? Hast du für uns Tipps bzw. was sind deine Lieblingsplätze?

Man muss sich Berlin vorstellen wie eine Ansammlung von unterschiedlichen Kleinstädten. Es gibt Bezirke in Berlin da ist Nachhaltigkeit das neue „cool“, und es gibt Bezirke in Berlin da weiß man nicht einmal wie Nachhaltigkeit buchstabiert wird. Berlin hat Extreme, es hat Ecken die ganz vorne dabei sind und es gibt Bezirke die wollen davon nichts wissen. Ich wohne in Kreuzberg 61, und Kreuzberg ist da sehr bewusst und vorne dran. In der Bergmannstraße hat ein Laden aufgemacht, der nicht besonders fancy oder schick aussieht, wie sonst mittlerweile alles in der Bergmannstraße, sondern eher wie ein Second-Hand – Laden und genau das ist es auch. Im „Rettermarkt“ werden Produkte verkauft, die in Lebensmittellagern oder Supermärkten liegengeblieben sind und die noch gut verwertbar sind.  Mittlerweile gehe ich  fast nur noch dorthin um mein tägliches Obst und Gemüse zu kaufen. Da gibt es wunderbare Sachen und ich habe noch nie irgendeinen Schaden festgestellt. Ob es jetzt immer alles gibt, oder ob es schön ausgestellt ist, ist mir total egal– ich habe einen Kürbis gerettet, das ist doch genial!

Dann gibt’s noch einen Ort im Kiez, den ich als Tipp abgeben kann: das ist die „Marheinke-Markthalle“ in Kreuzberg. Dort werden ganz viele regionale Lebensmittel – Gemüse, Obst,  Honig, auch regionales Fleisch – verkauft, und ich muss sagen, dort gönn ich mir ab und zu auch einen Bio- Burger, weil ich dann ein nicht ganz so ein blödes Gefühl habe Fleisch zu essen.

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Hast du für uns eine Übung aus dem Somatic Yoga die du uns für zu Hause mitgeben könntest?

Somatic Yoga macht ja einige klassische Yoga-Haltungen am Boden mit der Idee, dass man sich mit der Innenwahrnehmung beschäftigt um zu spüren, statt zu performen. Es gibt zum Beispiel den „Baum am Boden“. Du legst dich auf eine Seite, machst ein Bein lang und richtig schön aktiv, auch den Fuß, so als würdest du stehen. Dann bringst du den anderen Fuß an die Innenseite des Oberschenkels – in  Baumposition. Wenn du sehr erschöpft bist, kannst du den Arm am Boden langmachen, und deinen Kopf einfach auf dem Oberarm legen, und wenn du es ein bisschen aktiver haben willst, stützt du den Kopf ab. Du könntest dich dabei noch eingurten – Gurt in einem loop um die Schulter und um das angewinkelte Bein. Dann bleib in dieser Haltung und beobachte deine  Empfindungen. Wie fühlt sich das Bein an Boden an, wie liegen die Rippenbögen auf, wie ist der Atem und wie fühlt es sich an, das angewinkelte Bein so stabil an der Innenseite des Oberschenkels zu spüren? Nebenbei aktivierst du den Blasenmeridian und regenerierst. Neutralisiere das in einem kurzen Savansana in der Mitte, wo du vergleichst ob sich die eine Seite des Körpers  anders anfühlt als die andere. Dann wechselst du auf die andere Seite. Wenn du später in einen Baum im Stehen gehst, erinnere dich daran wie er sich im Liegen angefühlt hat. Ich finde es immer wieder faszinieren wie gut die Schüler dastehen, wenn man die asanas mit ihnen erst am Boden vorbereitet hat.

 

Wo kann man mit dir Yoga praktizieren? Unterrichtest du auch außerhalb von Berlin?

Ich bin derzeit angebunden an die Yogaschule Zehlendorf www.yogaschule-zehlendorf.de. Jeden Montag  um 18:15 – 19:30 Uhr gibt es eine offene Klasse Somatic Yoga. Dank Corona, live und online per Zoom meeting. Anfangs habe ich mich gegen das Hybrid Format gesträubt – denn es ist ein bisschen wie eine Jukebox oder ein DJ sein, du musst viele verschiedene Knöpfe gleichzeitig drücken und dann geht plötzlich gar nichts mehr oder überall piept es gleichzeitig – also nix mit Versenken und totaler Hingabe.  Dann habe ich aber gesehen, dass es eine Notwendigkeit dieser Zeit ist. Die Schüler sind sehr dankbar auf diese Art und Weise weiter praktizieren zu können und in Verbindung zu bleiben.

Alle drei Monate habe ich zudem vierteilige Somatic Themenreihen, die toll sind wenn man einen Überblick bekommen möchte in das, was die Methode kann und ist.  Vorab kann jeder Teilnehmer einen Fragbogen ausfüllen und ich kann individuell auf die Schüler und bestimmte Themen eingehen. Informationen darüber findet man auf meiner Webseite www.somatic-stories.de.

Außerhalb von Berlin unterrichte ich ein bis zweimal im Jahr in Bad Gastein, im wunderbaren Haus Hirt.  www.haus-hirt.com Ich liebe die Berge, das ist für mich einfach eine perfekte Kombination, in den Bergen die Sinne zurück zu ziehen und Yoga machen. Fürs nächste Jahr habe ich ein lokales Retreat über Pfingsten in der Uckermark geplant, mit einer wunderbaren Kollegin – Isabel Hollenbeck- zusammen, die auch Waldpädagogin ist. Wir kennen uns seit unserer Ausbildung vor 11 Jahren, und wir haben einfach Lust etwas gemeinsam zu machen. Es wird Somatic Yoga, verbunden mit dem Spirit-Yoga-Stil, mit Schreibübungen und ganz viel Natur. Tragt euch gerne in meinen newsletter ein und ich lasse Euch Informationen zukommen.

 

Wie möchtest du die Welt „ein Stück besser machen“?

Also ich finde Freundlichkeit sehr wichtig, das ist übrigens auch etwas Nachhaltiges. Wenn man freundlich ist, dann kommt‘s freundlich zurück. Ich versuche wirklich freundlich zu sein, und zwar nicht nur zu Menschen von denen ich etwas will, sondern gerade wenn ich meine langsamen Wege gehe, versuche ich jede Begegnung freundlich zu gestalten. Das ist super, wenn man schlechte Laune hat. Versuch das mal: Sei mit schlechter Laune zu jemanden aufmerksam und freundlich. Das Lächeln das du dann meistens bekommst, lässt die Sonne aufgehen.
Und…ich find Humor total wichtig. Ich habe viele ….ja…interessante… aber auch krasse Dinge in meinem Leben gesehen. Wie ich anfangs erzählt habe, habe ich für die BBC Kriegsverbrecher Recherchen und Interviews geführt, oder ein Drehbuch über den Tod geschrieben. Gerade an so Punkten wo es ganz düster wurde, haben wir angefangen eine handfeste Form von Humor zu entwickeln, und ich finde Lachen und Humor sind UNGLAUBLICH wichtig. Ich bin seit 20 Jahren mit einem Mann zusammen, warum immer noch mit demselben?  Weil er mich zum Lachen bringt, ja – es gibt fast nichts Besseres als Menschen, mit denen man zusammen von ganzem Herzen lachen kann.

Und ich finde es schön, wenn man es schafft Menschen wirklich zuzuhören. Wenn ich mir z.Bsp. wirklich Zeit für meine Kinder, oder Freunde nehme, wenn ich wirklich zuhöre was jemand zu sagen hat, und mir vielleicht sogar die Mühe mache zu spüren in welcher Frequenz derjenige etwas sagt…ja…was für eine Energie dahinter steckt- Spricht da die Angst? Spricht da Unsicherheit? Spricht da irgendjemand der sich etwas nicht traut zu sagen? Und wenn ich versuche wertfrei darauf zu reagieren, dann entstehen oft magische Momente.

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